Grey skys turn into blue.

Im Frühling einfach nur dasitzen, in die Sonne blinzeln, sich für fünf Minuten verlieben, ohne danach zu fragen, ob das einen Sinn hat. Ein Strauß von Eindrücken, den wir plötzlich wie selbstver- ständlich wahrnehmen, ohne dass uns die Schleck- eiswerbung zuvor darauf hingewiesen hätte.

Generell nicht ganz un- wichtig ist, dass man den Frühling ausmacht, bevor uns die Cornettowerbung mit ihren Bildern der immer ein wenig zu gut gelaunten Menschen voll darin eintunkt.

Exodus der Speckfalte
Ein wenig körperliche Ertüchtigung unter Einfluss eines frischen Frühlings- lüfterls ist noch immer die beste Kampfansage gegen den Winterspeck und wie nebenher kommt man der Sehnsucht nach der speckfaltenresistenten und waschbrettgewölbten Bauchoberfläche (meist ein sehr maskuliner Wunsch) oder der reiterhosenfreien Oberschenkelaußenseiten beziehungsweise der apfelförmigen Pobacken (meist ein sehr femininer Wunsch) sozusagen step by step näher.

Also, warum eigentlich nicht Sport? Da wir aber nicht doof sind, folglich wissen, dass es zwischen Wissen und Handeln, also von der Winterstarre zum ordentlichen Durchrütteln der eingerosteten Knochen an der frischen Luft ein beträchtliches Stück Weg zu überbrücken gilt, beginnen wir nicht mit der rituellen Schlachtung des inneren Schweinehundes, sondern konzentrieren uns zuvor auf eine weniger schweißtreibende dafür aber um so beliebtere Sportart.

Wonne-WM
Fernsehfußballschauen aus der Lümmelecke. Da Ende Mai ohnehin die Fußball-WM in Korea und Japan beginnt, Frankreich titelverteidigt und England reüssieren wird (Irrationalismus ist die Poesie des Fußballfans), wir überraschenderweise leider draußen bleiben müssen (die Türken haben uns in der Relegation gelehrt, wo die Niederlage endet und die Verhöhnung beginnt), der findige ORF-Kommentar vor spektakulären Österreich- bezügen nur schwerlich zurückschrecken wird und wir so gesehen doch dabei sein werden, passt das ganz gut.

Wie wir alle wissen, wird das Verfolgen eines Fußball-WM-Matches via TV ohne Biere substanzlos, deshalb sollte man dabei eher auf die obligaten Chips, als auf den Alkohol verzichten. Damit der Kalorien- verbrenneffekt aber nicht gar zu kurz kommt, empfiehlt es sich, die selbstredend zuvor sorgfältig gekühlten Biere jedes Mal aus dem Keller zu holen.
Der Bierkurier wechselt nach jeder leergetrunkenen Dose oder Flasche, so ist sichergestellt, dass alle Fernsehfußballfans in Bewegung bleiben.



Kafka als Fußballmuffel
Bevor wir uns einer etwas schweißtreibenderen und im Freien stattfindenden Sportart zuwenden, noch zwei Hinweise: Von Franz Kafka, dem todtraurigen Käsegesicht, das tagsüber im Büro einer Versicherungsgesellschaft saß und des nächtens Beiträge zu den Texten der klassischen Moderne lieferte, stammt wohl die grandioseste Fehleinschätzung, was Fußball anlangt.

Mit heroischer Ignoranz des bleichen Intellektuellen notierte er: "Das Unglück eines fortwährenden Anfangs, das Fehlen der Täuschung darüber, dass alles nur ein Anfang und nicht einmal ein Anfang ist, die Narrheit der anderen, die das nicht wissen und zum Beispiel Fußball spielen, um endlich einmal vorwärts zu kommen."

Im Beschwören metaphysischer Sehnsucht, die den Fußballspielern selbstverständlich schnurz ist, trübt sich der Blick für das Ekstasepotenzial des Fußballs, das der britische Fan immer noch am besten anzapft. (Alle, die den britischen Fußball nicht lieben, bitte jetzt weglesen.)

Juppiee
Wenn der britische Fußballfan hingegen jubelt, dann richtig, im Halleluja des Torschreis aus tausendenden geräucherten und durch etliche Pubbesuche auf Moll getunten Wildlederlungen taucht er unbezahlte Stromrechnungen, Hypotheken, quengelnde Bälger und den zusehends von Disziplinierungs- maßnahmen heimgesuchten Arbeitsalltag im eruptiven Torjubel ganz tief unter.

Im verbalen Abfeiern der Freude über das Tor der eigenen Mannschaft reduziert sich das Fanleben auf die volle Hingabe an den Moment, ohne Vorher, ohne Nachher - einfach nur glücklich.
Wenn wirklich je jemand wusste, was mit der aristotelischen Katharsistheorie (Reinigung der Seele durch dargestellten Jammer und Schauder auf der Bühne?), gemeint war, in der Torekstase der britischen Fußballfans kann man sie eindrücklich studieren.

Tennispädagogen
Auch wenn das österreichische Tennis seit dem Rücktritt Thomas Musters ähnlich wie Johnny Depp in Dead Man permanent im Sterben liegt und Stefan Kubek, Markus Hipfel und die anderen, die alternierend Platz drei und vier im Davis-Cup-Team einnehmen, in ihrer Verwandtschaft bekannter sind als in der Öffentlichkeit, bietet der Frühling nicht nur aus meteorologischen, sondern auch aus finanziellen Gründen (die Platzmieten sind im Freien einfach billiger) den idealen Zeitpunkt, um mit Tennis zu beginnen.

Wer sich dazu ernsthaft entschließt, sollte das aber tunlichst mit einem Tennislehrer tun. (Bei diesem Entschluss einfach daran denken, dass Klischees eines Berufs- standes oft wirkungs- mächtiger als dessen Realität sind).
Nicht jeder Tennislehrer trägt Schnauzbart und Dauerwelle,...

Denn nur unter professioneller Anleitung kommt man in den Genuss einer sauberen Vor- und Rückhandtechnik, eines Balltreffpunktes, der deutlich vor dem Körper liegt und zu einer Aufschlagbewegung, die auf den berüchtigten Pfannengriff verzichtet, - dass der Tennisarm mit der richtigen Technik auf Granit beißt und man sich obendrein die Kosten für den Orthopäden spart, versteht sich von selbst.
Weiters spenden Tennistrainer salär- inbegriffen den nötigen Trost ob der Leerstelle an jener Seite, an der sich eigentlich die Rückhand befinden sollte.

Horstis Rückhandproblem
Man könnte dies vielleicht mit einer Reminiszenz an Horst Skoff, den netten kleinen Kärntner mit den kurzen Beinen aus Kühnsdorf tun, der mit einer geraden Vorhand- klebe ausgestattet war, die Ende der 80er, Anfang der 90er nur mehr Ivan Lendl zu bieten hatte.
Jedoch teilte Skoff, den man liebevoll Horsti nannte und dessen Namen noch heute sehnsüchtig während schwacher Spiele bei der CA-Trophy durch die Wiener Stadthalle geschrieen wird, das Schicksal vieler Tennisanfänger.

Er hatte massive Probleme mit der einhändig geschlagenen Driverückhand (hierbei sollte der Ball nach korrekter Ausführung mit etwas Vorwärtsdrall den Schläger verlassen). Aber um der Wahrheit die Ehre zu gereichen, Horst Skoff hatte keine Probleme mit der einhändig geschlagenen Driverückhand, er hatte gar keine einhändig geschlagene Driverückhand.
Deshalb wieselte er auch ständig laut stöhnend und schweißdampfend um diese offene nässende Wunde anfortäischen Ausmaßes, wo sich sinngemäß seine Rückhand befinden sollte, herum, couverte den ganzen Platz mit seiner Vorhand und wurde so zur tennisspielenden Metapher des einarmigen Banditen.

Man könnte sagen, dass der wegen seiner vordergründig als mangelhaft in Erscheinung tretenden Kondition oft gescholtene Horst Skoff keine Probleme mit der körperlichen Fitness hatte, sondern mit der Rückhand.
Horst Skoff aus Kühnsdorf hatte nicht keine Kondition, sondern keine Rückhand. Schließlich haben wir am Schluss noch für die weniger wertkonservativen Sportkonsumenten einen Vorschlag.

Thrill in utero
Zorbing heißt ein anderer Trendsport, der sich nahtlos in die Reihe Snow-Boarding, Carving, Snake-Bording, Roller-Blading, Para-Gliding, Free-Climbing, Bungee-Jumbing, River-Rafting, Jet-Skiing, Power-Walking und was weiß ich noch was alles stellen lässt.
Der Fußball steht etwas abseits, vergewissert sich kurz der Tatsache, dass beim Versuch, ihn zu verbieten, seine Fans die jeweilige Regierung aufessen würden, steckt die Hände in die kurzen Hosen und sagt: "Kinder, Kinder, Kinder. Wenn es einen Trendsport gibt, dann bin das selbstverständlich ich, weil ich im 19. Jahrhundert aufkam, das 20. beherrschte und im 21. anhalte."

Egal aus Neuseeland
Zorbing also oder der Zorb, das ebenfalls wie Bungee-Jumping in Neuseeland erfunden wurde und ein Produkt zerebraler Umwegrentabilität ist, weil die zwei Erfinder Dwane van der Sluis und Andrew Akers ursprünglich nur im Sinn hatten, nach dem Baden so schnell als möglich zu ihren Badetüchern zu gelangen, ohne sich im glühend heißen Sand rote Sohlen zu holen, sind zwei tüvgeprüfte durchsichtige Plastikkugeln von etwa drei und zwei Metern Durchmesser.

Der Zorber, der die innere Kugel durch eine Art Tunnel erreicht, liegt also von einem einen Meter dicken Luftpolster geschützt gleichsam in utero. Die beiden Spezialkunststoff-Kugeln sind zusätzlich mit mehr als 1000 Seilen verbunden, also eine todelsichere Angelegenheit, wie oft man sich aber deren Ernstfallkompatibilität etwa beim Hinunterrollen von mehr oder weniger steilen Hängen wieder durch den Kopf gehen lässt, ist nicht bekannt.

Jedenfalls kann man in der Kabine des Zorb vieles machen: gehen wie in einem Rönrad, liegen wie im Faulbett unter dem Baldachin des Himmels, durchdrehen wie Bayernfans, die von ihrem unter akutem Fäulnisbefall heimgesuchten Königstiger Stefan Effenberg enttäuscht sind, oder sich aber sehr bedächtig im Frühling von der milden Brandung eines Sees an Land schwemmen lassen.

Osterspaziergang
Wem das alles zu beschwerlich ist, der folge einfach folgender Popzeile: Geh doch mal zum Bahnhof, in der so genannten Frühlingszeit, sag Hallo zu einem Fremden, der einem Zug entsteigt. Wer weiß, woraus diese Zeile stammt, gewinnt einen Osterspaziergang mit dem Autor - dieses Artikels.